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Warum Männern oft die Worte fehlen, welches die Anzeichen einer Depression sind und wie Heilung durch Hilfe gelingen kann: Darüber sprach die DGMG mit Prof. Dr. Anne Maria Möller-Leimkühler, Autorin des Buches: „Vom Dauerstress zur Depression“


Was macht den Mann so schweigsam in Bezug auf seine Gefühle?

Das männliche Gehirn ist in seinen beiden Hälften weniger verschaltet als das weibliche und arbeitet vergleichsweise asymmetrisch. Das bedeutet, dass bei Männern tendenziell die linke Hirnhälfte aktiver ist, die zuständig ist für logisches und analytisches Denken und weniger mit der rechten Hirnhälfte zusammenarbeitet, wo Emotionen und Intuition verortet sind. Die Folge ist, dass Männer aufgrund dieser Hirnarchitektur einen schlechteren Draht zu ihren Gefühlen haben und diese nicht so gut identifizieren und verbalisieren können wie Frauen. Männern fehlen oft schlicht die Worte dafür. 

 

Wird dazu denn in der Kindheit schon der Grundstein gelegt?

Durchaus. Jungen werden nicht dazu ermutigt, über ihre Gefühle zu sprechen, im Gegenteil, sie werden dazu ermutigt, ihre Gefühle zu kontrollieren. Emotionale Kontrolle gilt im Männlichkeitsstereotyp als Ausweis von Stärke und Überlegenheit. Jungen sind stärker bewegungs- und außenorientiert, was durch den höheren Testosteronspiegel bedingt ist, der auch für Aggressivität und Dominanzstreben verantwortlich ist. Auch deshalb handeln Männer lieber als dass sie reden. Wenn sie reden, dann nicht, um sich mitzuteilen, sondern um Informa­tionen auszutauschen oder sachliche Probleme zu lösen.

 

Wie macht sich eine Depression bemerkbar? 

Männer werden in der Regel zunächst nicht über eine depressive Stimmung klagen, das Interesse an allem verlieren, weinen und traurig sein, wie wir es von Frauen kennen. Sondern sie werden die männliche Fassade so lange wie möglich aufrechterhalten: noch mehr arbeiten, noch mehr Sport, noch mehr Stunden vor dem Computer, noch mehr Alkohol, noch weniger reden. Statt depressiver Stimmung und verwandten Emotionen kann sich die innere Spannung durch ungewohnte Aggressivität, Wutausbrüche, suchtähnlichen Aktionismus, Risikoverhalten oder antisoziales Verhalten entladen. Betroffene Männer spüren zwar, dass etwas mit ihnen nicht stimmt, doch sie können ihren Konflikt häufig nur aggressiv angehen und ihn auf der Verhaltensebene ausagieren. Insofern ist es schwierig, Depressionen bei Männern zu erkennen, die nicht nur die klassischen Depressionssymptome aufweisen.

 

Ein sogenanntes „Burn-out-Syndrom“ ist gesellschaftlich „akzeptabel“. Eine Depression hingegen wird meist aus falscher Scham verschwiegen.

Burnout hat ein positives Image. Als chronisches Erschöpfungssyndrom ist es die Folge eines besonders hohen beruflichen Engagements und extremer Leistung und gilt fast schon als „Statussymbol“ der leistungsstarken Männer. Depression dagegen wird immer noch als Schwäche und eigenes Versagen erlebt, besonders von Männern und bei Männern, und signalisiert daher alles andere als Status, Erfolg und Männlichkeit. Eine Depression bei sich zu akzeptieren, kann ein langer Prozess sein, der die Akzeptanz der eigenen Hilflosigkeit erfordert.

Burnout hat „gefühlt“ einen Grund, eine Depression kann völlig „grundlos“ auftreten. 

Depressionen bei Männern nehmen stetig zu. Etwa, weil sie zunehmend stärkeren Belastungen im Leben ausgesetzt sind? 

Das ist so nicht richtig. Die Häufigkeit von Depressionen in der Allgemeinbevölkerung ist bei Männern und Frauen in den letzten Jahrzehnten ziemlich unverändert geblieben. Verändert hat sich aber die Häufigkeit, mit der Depressionen im Kontext der Arbeitsunfähigkeit diagnostiziert werden. Das hat verschiedene Gründe: Männer gehen mittlerweile offener mit psychischen Problemen um als noch vor fünf oder zehn Jahren, Depressionen werden aber auch häufiger diagnostiziert und nicht mehr durch „Verlegenheitsdiagnosen“ kaschiert. Objektive Arbeitsbelastungen sind nachweisbar gestiegen, diese allein machen aber noch nicht depressiv. Eine stressbedingte Depression ist immer das Ergebnis einer Interaktion zwischen Person und Umwelt, also individueller Stressanfälligkeit und tatsächlichen Belastungen.

 

Wie können Freunde und Familie helfen? 

Das ist ein ganz schwieriger Punkt, unter dem viele Angehörige und Freunde leiden, weil sie meinen, so wenig machen zu können. Denn: Die Voraussetzung, sich helfen lassen zu wollen, setzt die Einsicht voraus, dass man nicht allein aus einer Depression herauskommt. Zunächst müssen Angehörige und Freunde verstehen, dass hinter Aggressivität, Alkohol und Arbeitssucht tiefere emotionale Probleme stecken, und dass der Betroffene nicht bösartig, egoistisch oder unsozial geworden ist. Es gibt keine Rezepte, aber hilfreich sind Informationen und Unterstützung in dem Sinne, dass man den Betroffenen keine Vorwürfe macht oder ihm gute Ratschläge gibt, ihn zu nichts drängt, ihm aber auch nicht alles abnimmt. Freunde sollten sich nicht aus lauter Frustration, dass ihre Appelle nicht fruchten, zurückziehen. Der Partner sollte sich nicht von der Depression des anderen herunterziehen lassen und selbst zum Opfer machen, sondern auch weiterhin seine eigenen Bedürfnisse und Auszeiten wahrnehmen. Wichtig könnte sein, dass Angehörige und Freunde Informationsmaterial (z.B. mein Buch) zusammenstellen, aus dem klar wird: Depression ist keine Frauenkrankheit, sondern eine Volkskrankheit – häufiger übrigens als Herzkreislauferkrankungen oder Diabetes. Depressionen sind gut behandelbar mit Antidepressiva und/oder Psychotherapie. 

Warum brechen viele Männer ihre Therapie ab?  

Der psychologische Kontakt zwischen Psychotherapeut und dem Patienten ist aus verschiedenen Gründen eine empfindliche Hürde und muss gelingen, damit der Patient am Ball bleibt. Wichtig dabei ist, dass er das Gefühl hat, dass der Therapeut bereits bei der Behandlungskonzeption auf seine Bedürfnisse und Wünsche eingeht, was nicht unbedingt immer der Fall ist. Männer sind andererseits auch nicht immer die Idealklienten, weil sie nicht leicht zum Sprechen zu bringen sind bzw. wenn sie sprechen, auf anderes fokussieren als auf die Gefühlsebene, z.B. auf die Darstellung einer schwierigen Arbeitssituation ohne  jede emotionale Beteiligung. Ein weiterer Grund für einen vorzeitigen Therapieabbruch könnte die ungeduldige Erwartung sein, dass eine Psychotherapie wie eine mechanische Reparatur in kürzester Zeit erfolgreich und nachhaltig zum Abschluss kommt.

Aus Ihrem Buch geht hervor, dass eine erschreckend hohe Zahl an (meist depressiven) Männern Suizid begangen hat. 

Das Paradoxe ist, dass Männer eine dreimal höhere Suizidrate haben als Frauen, aber nur halb so häufig als depressiv diagnostiziert werden. Das verweist auf eine hohe Dunkelziffer an Depressionen bei Männern und damit auch auf ihr Hilfesuchverhalten. Plakativ formuliert: Frauen suchen Hilfe, Männer bringen sich um. Hinter der Suizidalität von Männern steht eine wesentlich stärkere Tötungsabsicht als bei Frauen, die in der Regel nicht angedeutet wird. Suizidale Männer möchten an sich nicht sterben, sehen aber keinen anderen Ausweg aus ihrem Konflikt, da sie davon überzeugt sind, dass niemand ihnen helfen kann. Ein Suizid muss gelingen, um nicht den Beweis eines erneuten Versagens zu liefern. Neurobiologische Studien weisen darauf hin, dass ein Serotoninmangel bei Männern – anders als bei Frauen – impulsive Aggressivität fördert und damit auch einen Suizid „erleichtert“.


BUCHTIPP:

Prof. Anne Maria Möller-Leimkühler, „Vom Dauerstress zur Depression“,
Verlag fischer&gann, 22,99 €

ISBN:

978-3-903072-33-6