Brauchen wir eine Männermedizin? Unterschiede zwischen Männer- und Frauengesundheit
Es gibt Frauenheilkunde und Kinderheilkunde, aber es gibt keine Männerheilkunde. Mit der Universitätsprofessur Männergesundheit ist der erste Schritt getan, der auf die medizinischen Bedürfnisse bei Männern eingeht.
Männer lassen sich nur durch spezielle Motivationstechniken dazu bewegen, etwas für ihre Gesundheit zu tun. Sie sind sehr stark Wettkampf orientiert. Ein Beispiel: Ich habe einen 29-jährigen Manager behandelt, der übergewichtig, müde und abgeschlagen war. Der Mann wog bei einer Körpergröße von 1,80 m über 120 kg. Mit diesem Mann sind wir den Weg der kleinen Schritte gegangen. Wir haben seine körperliche Aktivität nach und nach geändert. Zuerst haben wir ihm einen Schrittzähler gegeben. Damit hat er festgestellt, dass er am Ende des Tages bis zu 150 Schritte mehr gemacht hat. Das hat ihn motiviert, die Aktivitäten auszubauen.
Wie unterscheidet sich das Gesundheitsverhalten von Männern und Frauen?
Zum Beispiel bei der Ernährung. Männer lieben scharf angebratenes Fleisch, Frauen ziehen Salat vor. Die wenigsten Frauen würden im Restaurant ein 250 g schweres, blutiges Steak bestellen. Wir alle wissen, dass erhöhter Fleischkonsum einen negativen Einfluss auf die Gesundheit hat.
Frauen sind das klügere Geschlecht! Männer können von ihnen lernen. Frauen leben in ihrem Körper, Männer benutzen ihren Körper, um etwas zu erreichen. Hierzu folgendes Beispiel: Ein Jurist hat zum Erreichen seiner Doktorwürde fast drei Jahre lang das komplette Sportprogramm aufgegeben und seinen Hunger mit Junkfood oder Süßigkeiten auf dem Heimweg gestillt. Der Körper wurde benutzt, um das Ziel zu erreichen, ohne sich Gedanken über die Konsequenzen zu machen.
Warum fällt es Männern schwerer als Frauen einen Arzt aufzusuchen?
Frauen betreiben Vorsorgemedizin, Männer Reparaturmedizin. Männer gehen oft erst zum Arzt, wenn die Erkrankung schon ausgebrochen ist. Frauen kümmern sich im traditionellen Rollenverhalten sowohl mehr um ihre eigene als auch um die Gesundheit der ganzen Familie. Eine Untersuchung hat gezeigt, dass Männer ungern zum Arzt gehen, da sie es hassen, im Wartezimmer zu warten. Lieber warten sie eine Stunde beim Reifenwechsel. Außerdem haben Männer Angst vor schlechten Nachrichten. Männer sind - wie Herbert Grönemeyer es besungen hat - stark und unverletzlich. Eine Erkrankung passt da nicht ins Bild.
Warum ist die Lebenserwartung der Frauen im Schnitt sechs Jahre höher als die der Männer?
Dazu gibt es viele Theorien. Fest steht, dass sowohl biologische als auch genetische Faktoren eine große Rolle spielen, aber auch Umwelt- und soziologische Faktoren. Männer sind jedenfalls nicht das stärkere Geschlecht, sondern das schwächere. Genetisch gesehen verfügen Frauen über XX- und Männer über XY-Chromosomen. Wenn wir uns das Y genauer anschauen, sehen wir ganz einfach, dass ein Y ein X ist, bei dem ein Schenkel fehlt. Das spielt in der genetischen Disposition eine große Rolle. Auf diesem fehlenden X-Schenkel werden u. a. antioxidative Prozesse codiert.
Diese sind wichtig, um Alterungsprozesse oder Schädigungen, die die Umwelt dem Körper zugeführt hat, wieder zu reparieren oder den Körper vor diesen schädlichen Prozessen zu schützen.
Fühlen sich Männer prinzipiell gesünder als Frauen?
Ja. Es gibt eine Umfrage in sieben verschiedenen Nationen - in sechs europäischen Ländern und den USA. Sie zeigt, dass rund 80 bis 90 Prozent der Männer zwischen dem 40. und 80. Lebensjahr der Meinung sind, dass sie gesund oder gar topgesund sind. Nimmt man die Krankenakten dieser Männer, stellt man fest, dass die Realität ganz anders aussieht: Bei vielen Männern lagen schon gesundheitliche Probleme vor.
Wissen Frauen mehr über ihren Körper und ihre Gesundheit?
Ja. Den Ausdruck Prostata beziehungsweise das deutsche Wort Vorsteherdrüse haben über 80 Prozent der Männer zwar schon einmal gehört. Aber nur 34 Prozent der Männer wissen, wo dieses Organ gelegen ist.
Welches sind die typischen Männerkrankheiten? Woran sterben Frauen, woran sterben Männer in der Regel?
Deutsche Männer sterben am häufigsten an Herz-Kreislauferkrankungen, an zweiter Stelle stehen Krebserkrankungen, an dritter Unfälle, Verletzungen und Vergiftungen als Todesursache. Zwischen dem 45. und 64. Lebensjahr sterben ein Drittel weniger Frauen an Herz-Kreislauferkrankungen als Männer. Ab dem 45. Lebensjahr sterben 1,5 bis zwei Mal so viele Männer an Tumorerkrankungen wie Frauen. Am Tod durch Gewalteinwirkung sterben zwischen dem 15. und 24. Lebensjahr ungefähr acht Mal so viele Männer. Diese Zahl zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben. Das liegt eindeutig an dem Risikoverhalten und daran, dass Männer ihren Körper als Mittel zum Ziel einsetzen.
Wie kann man Männer motivieren, mehr für ihre Gesundheit zu tun beziehungsweise Vorsorgeuntersuchungen wahrzunehmen?
Man muss ihnen klarmachen, dass Präventionsmaßnahmen und der Gang zur Vorsorgeuntersuchung kein Schwächezeichen sind, sondern ein Zeichen von Intelligenz und Männlichkeit. Dass Männer, die was für sich tun, besonders männlich und die, die sich gesundheitlich gehen lassen, eigentlich unmännlich sind. Ich halte es außerdem für essenziell den Männern zu kommunizieren, dass sie Erektionsstörungen abklären lassen müssen. Denn die sensiblen Penisgefäße sind bereits vier bis acht Jahre, bevor der Mann einen Herzinfarkt bekommt, schlecht durchblutet. Erektionsstörungen sind ein ernstzunehmender Indikator. Hier können wir die meisten Männer, die keine Prävention betreiben und nicht zur Vorsorgeuntersuchung gehen, abholen. Bei Erektionsstörungen untersuchen wir die Penisgefäße genauer und stellen dann ein Präventionsprogramm auf, damit sie lange fit und gesund bleiben.