Was tut uns gut – Tag für Tag?
Wie schaffen wir einen Ausgleich zwischen Arbeit und Freizeit?
Die DGMG hat Schlagworte vorgegeben. Dipl-Psychologin Katharina Dünne, die als Coach in Hamburg Unternehmer in verschiedenen Lebensfragen berät, hat hilfreiche Gedanken dazu notiert.
Katharina Dünne, MBA ist Diplom-Psychologin und als HR-Direktorin in Hamburg tätig sowie Vorstandsmitglied der DGMG
»Work-Life-Balance«
Die Wahrnehmung, ob man eine gute Work-Life-Balance hat, ist hochgradig subjektiv! Für den einen bedeutet eine gute Work-Life-Balance, dass er mindestens einen Tag in der Woche dem nachgehen kann, was er möchte – ohne Termindruck, ohne schlechtes Gewissen, in dieser Zeit was zu verpassen. Für den anderen bedeutet eine gute Work-Life-Balance, dass die Zeit für den Job und für das Privatleben jeden Tag schön abgegrenzt sind und möglichst feste Zeiten bestehen. Und es gibt Menschen, die auf das Wort „Work-Life-Balance“ verständnislos reagieren, da sie in ihrem täglichen Doing aufgehen und so viel Energie aus ihrer Tätigkeit ziehen, dass sie sich fragen, warum es bei anderen anders sein sollte.
Zeit und Ziele
Die Zeit ist gar nicht immer der erste Faktor. Das wahre Gift ist das Festhalten an Zielen, die nicht zum individuellen Menschen passen. Und dieser Prozess ist schleichend. Die meisten meiner Coachees sind erfolgreiche Unternehmer oder Führungskräfte, die zum Teil Bilderbuchkarrieren hingelegt haben. Im Sog der Zeit nach dem Studium, den ersten (harten) Berufsjahren, das Klettern auf der Karriereleiter, die Gründung einer Familie, die dadurch hinzukommenden Rollen…. – all diese Faktoren tragen dazu bei, dass das, was den Einzelnen eigentlich glücklich macht, aus den Augen verloren wird. Wir lernen so viel in unserem Leben: Aber wer bringt einem bei, wie man innehält, um sich zu fragen, ob das, was man tut, eigentlich noch Spaß macht und mehr Energie gibt als es Energie zieht?
Ausgleich
Wie Getriebene laufen wir durchs Leben – bedingt durch äußere Anforderungen. Nicht nur beim Job, auch bei der Wahl der Menschen, mit denen ich mich umgebe, kann ich mich verbiegen und viel Kraft lassen – oder auftanken. Gleiches gilt für meine Aktivitäten. Ich selbst halte nichts davon, sich in der Freizeit mit schweißtreibendem Sport zu stressen. Bewegung ist wichtig, aber es kommt auf die Dosierung an.
Work-Life-Balance bedeutet nicht, einen straffen Kalender mit einem Wechsel an beruflichen und privaten Aktivitäten abzuarbeiten. Es kommt darauf an, zu wissen, was einem wann und in welchem Maße gut tut. Wie ich meine Akkus auflade, um auch die Phasen zu überstehen, in denen ich nicht das tun kann, worauf ich gerade am meisten Lust habe. Dies für sich selbst herauszufinden, ist das wahre Geheimnis der Work-Life-Balance. Da wir dies aber nicht in der Schule lernen und die Herausforderungen zunehmen, kippt die Balance für viele Menschen.
Burn-out
Der Begriff klingt mir zu sehr nach Endstation. Was ist dem Burn-out eigentlich vorausgegangen? Druck und Stress fördern die Ausschüttung von Hormonen, die den Körper normalerweise extrem leistungsfähig machen. Der Blutdruck steigt, die Sinne sind geschärft. Das Gefühl des „Gestresst-Seins“ resultiert zu einem hohen Maße auch aus einer negativen Bewertung. Beobachtet man Menschen, die einen hohen Stresslevel über eine lange Zeit scheinbar mühelos ertragen, dann wird man feststellen, dass diese den Zustand nicht als unangenehm, sondern als angenehm bewerten. Irgendwann kann das aber kippen – spätestens dann, wenn sich der Blutdruck und andere körperliche Variablen dauerhaft verändern. An diesem Punkt kommen im Coaching die eigenen Ziele und Motive ins Spiel. „Was macht mich wirklich glücklich?“ Diese Frage ist der Schlüssel, um wieder Gestalter seines Lebens zu werden.
Prävention
Damit es gar nicht erst zu einer dauerhaften Erschöpfung kommt, rate ich, herauszufinden, welche Tätigkeiten dazu führen, sich regeneriert und aufgeladen zu fühlen. Ist es der Spaziergang nach der Arbeit? Oder der regelmäßige Austausch mit einem Gesprächspartner auf Augenhöhe? Eine durchtanzte Nacht oder das Ausschlafen am Wochenende? Wenn es gelingt, die einzelnen Tätigkeiten aus Werten und Zielen umzusetzen und Freude daran zu empfinden, ist der Grundstein für die Balance gelegt.
Veränderung
Der Weg zum Arzt wird sehr häufig erst dann eingeschlagen, wenn gar nichts mehr geht. Sehr viele meiner Coachees sind Anfang oder Mitte 40 und stellen plötzlich körperliche Einbußen fest. Diese wirken sich auf die Psyche aus und bringen den Wunsch mit sich, dass alles wieder so wie früher sein soll – und zwar auf Knopfdruck. Dass dafür aber die Umstellung von mentalen Strukturen die Voraussetzung ist, begreifen sehr wenige. Es gibt anschauliche Beispiele, was in unserem Gehirn passiert, wenn die Person meditiert. Zu wissen, dass man diese Bereiche durch simple Techniken „wiederbeleben“ kann, motiviert die meisten, sich darauf einzulassen. Es geht um kleine Veränderungen.
Werte und Vorsätze
Wenn das, was ich tue, nicht zu dem passt, was ich vorhabe, dann tue ich es erst verhalten, dann widerwillig und irgendwann gar nicht mehr. So schlagen gute Vorsätze fehl. Wenn ich mich aber damit beschäftige, was ich wirklich vom Leben will, komme ich zu dem Punkt, dass ich ihn auch entsprechend behandeln kann. In dem Moment, in dem ein „muss“ zu einem „möchte“ wird, ist 99 Prozent meiner Arbeit beendet. Danach gilt es „nur“ noch Wege zu finden, was dem Einzelnen gut tut und was er – auch langfristig – umsetzen möchte. Man muss nicht jeden Tag hundert Prozent gesund leben und immer achtsam sein. Tun, was einem gut tut, darum geht es.